Sonntag, 6. Februar 2011

No smoke without fire

Die Geschichte erzählt von jungen Frauen, die sich als Männer verkleideten, um sich als Soldaten ausbilden zu lassen und in den Krieg zu ziehen. Die Geschichte erzählt von Wissenschaftlerinnen, die ihre Forschungsergebnisse unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichten, um akzeptiert zu werden. Und die Geschichte erzählt von Frauen, die vorgaben, männlich zu sein, um in ein Kloster aufgenommen zu werden und das Amt eines Priesters oder Bischofs ausüben zu können. Eine dieser Frauen – Johanna aus Ingelheim – soll es sogar bis auf den Papstsitz geschafft haben.

Die Vorstellung, dass es im 9. Jahrhundert angeblich ein Päpstin gegeben hat, dass eine Frau an der Spitze der Kirche gestanden haben soll, fasziniert mich. Nachdem ich zweimal den Film „Die Päpstin“ gesehen und den gleichnamigen Roman von Donna W. Cross gelesen habe, wollte ich mehr über diese Legende, über die Person Johanna wissen und erfahren, ob etwas Wahres dran ist an der Geschichte über die Päpstin. Es gibt einiges an Literatur, denn im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte haben sich zahlreiche Historiker und Literaturwissenschaftler dieser Frage angenommen. Einer von ihnen ist der englische Journalist Peter Stanford, der 2009 das Buch „Die wahre Geschichte der Päpstin Johanna“ herausgebracht hat. Auch wenn man die „wahre Geschichte“ am Ende nicht kennt, weil es diese wahrscheinlich gar nicht gibt, ist das Buch recht interessant.

Stanford geht jedem kleinsten Hinweis zur Existenz und zum Leben von Johanna nach, reist nach Rom, nach Fulda, nach Griechenland, überall hin, wo sich Johanna einmal aufgehalten haben soll. Jedoch: Es gibt keinen einzigen stichfesten Beweis dafür, dass Johanna überhaupt wirklich jemals gelebt hat. Es gibt zu viele Widersprüche. Die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion, zwischen Wirklichkeit und Mythos verschwimmen. Ebenso wie Johanna wirklich existiert haben könnte, könnte sie auch eine Erfindung sein. Stanfords These und Fazit lautet, dass es viel zu viele und durchaus einige glaubwürdige, wenn auch nicht beweisbare Hinweise und Quellen gibt, in denen Johanna auftaucht, als dass ihre Geschichte nur erfunden worden sein soll. Mehrere Überlieferungen aus dem Mittelalter verweisen darauf, dass sie aus Ingelheim, einem kleinen Dorf nahe Mainz stammt, englische Wurzeln hatte, verkleidet als Mann in das Kloster zu Fulda eingetreten, der griechischen Sprache mächtig gewesen, zwei Jahre lang das Papstamt innegehabt und ein Kind geboren haben soll.

Aber was war Johanna, falls es sie wirklich gab, für ein Mensch? War sie die Gute, die überaus intelligent war und die sich für die Armen einsetzte, wie es in Roman und Film dargestellt wird, oder war sie die Böse, über welche nach ihrer Aufdeckung herausgefunden wurde, dass sie mit mehreren Männern geschlafen hat und die so gar nicht das Leben eines vorbildlichen Diener Gottes führte, weshalb die Kirche ihre Existenz aus der Geschichte streichen wollte? Kein Wissenschaftler wird dies je herausfinden, denn die überlieferten Erzählungen über Johanna sind laut Stanford höchst unterschiedlich, nicht selten scheinen Autoren etwas hinzugedichtet haben: „Johanna tanzte zu den Melodien unterschiedlichster Zeiten und passte sich an die Stimmung vieler Epochen an, seien es antiklerikale, antikatholische, feministische, romantische oder erotische gewesen.“

Wahrscheinlich ist es jedoch genau das, dieses Nicht-Wissen, diese Unsicherheit, welche Geschichten so faszinierend machen wie jene über die Päpstin oder auch jene über angebliche Nachfahren, die Jesus Christus gezeugt haben soll, wie es Dan Brown in seinem Roman „Sakrileg – The da Vinci Code“ berichtet. Man wird nie erfahren, ob und was an solchen Legenden wahr ist oder was sich irgendjemand bei der Überlieferung ausgedacht hat. Man wird nie wissen, was man glauben kann und was nicht.
Aber: there is no smoke without fire! An jedem Gerücht ist etwas Wahres dran. Und es heißt, dass auch jede Legende ihren wahren Kern hat.

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